Steht Klimaschutz dem Naturschutz entgegen?
Es kommt immer wieder zu Konflikten zwischen dem Naturschutz und der Transformation unserer Energiewirtschaft weg von der Nutzung fossiler Energieträger, wenn z.B. die Wasserkraft genutzt werden soll durch den Bau neuer Wasserkraftwerke in Flüssen oder Windräder in Wäldern aufgestellt werden. Doch wir sollten den Naturschutz und der Klimaschutz eigentlich als ein “unzertrennliches Duo” (DAV-Mitgliederzeitschrift Panorama 2/2025 Seite 34) betrachten. Denn:
“Ohne die Biodiversität zu erhalten, wird es schwierig, das Klima zu retten. Tiere, Pflanzen, Pilze und Mikroorganismen sorgen für sauberes Wasser, frische Luft und fruchtbaren Boden zum Anbau gesunder Nahrungsmittel. Vitale Böden sind enorm wichtige Wasser- und Kohlenstoffspeicher und ein natürlicher Puffer gegen Trockenheit und Hochwasser. Die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Quellen und dessen Speicherung ist unerlässlich, um den Klimazielen ein Stück näher zu kommen. Aber ohne die natürlichen Kohlenstoffspeicher intakter Ökosystem, wie Moore, Wälder und Flussauen, wird der Klimawandel nicht aufzuhalten sein. Diese Lebensräume haben es schließlich schwer genug und müssen sich langfristig an höhere Temperaturen und veränderte Niederschläge anpassen. Was nur gelingen kann, wenn sie noch intakt sind.”
Deshalb setzen wir uns als Ortsgruppe Pullach vom Bund Naturschutz in Bayern nicht nur für den Erhalt der Biodiversität in Feld und Flur ein z.B. durch unsere langjährige Mithilfe bei der Umwandlung der Wiese am Brunnhaus unterhalb des Pullacher Kirchplatzes in ein artenreiches Biotop. Wir betreiben seit 2015 das Reparatur Café Pullach, das nach dem Motto: "Wegwerfen? Nein danke" als ein Reallabor für eine umwelt- und ressourcenschonende Wirtschaftsweise steht.
Wir unterstützen auch Projekte wie die Solidarische Landwirtschaft Isartal, die auf ihrem Acker in der Nähe vom Starnberger See - unter Beachtung der Grundsätze des regenerativen Landbaus (Humusaufbau durch Förderung des Bodenlebens auf dem Acker) - Gemüse für die Mitglieder ihrer Genossenschaft im Isartal anbaut. Auch in Pullach gibt es eine Abholstation für die Kiste. Oder die Pullacher Agenda 2030, die mit Unterstützung der Gemeinde unter dem Motto “Pullach in aller Munde” Naschhecken verstreut über das Gemeindegebiet, überwiegend in der Nähe von Kindergärten, angelegt und den 1. Pullacher Solidarischen Gemeinschaftsgarten am S-Bahnhof Pullach ins Leben gerufen hat.
Hans-Werner Thürk
STREITTHEMA WINDENERGIE CONTRA VÖGEL
Nur ein Bruchteil stirbt an Windgeneratoren
Damit Deutschland sein Klimaziel der Klimaneutralität bis 2045 erreicht, fordern wissenschaftliche Gutachten – wie etwa das von Agora Energiewende publizierte Gutachten mit dem Titel „Das Klimaschutz-Sofortprogramm“ – bis 2030 eine Verdreifachung des jährlichen Windkraftausbaus – zusätzlich zu den 31.000 bestehenden. Naturschützer sind besorgt. Besonders geschützte Greifvogelarten können mit den Rotorblättern der Windräder kollidieren. Und die Anlagen stören Lebensräume seltener Arten. Andere Studien und Prognosen stützen diesen Befund.
Dass der Ausbau der Windenergie in Deutschland seit 2018 eingebrochen ist, rückt das Ziel in weite Ferne. Bis 2025 wird ein rundes Viertel aller bestehenden Windräder in Deutschland – also rund 8.000 Stück – die 20jährige Betriebslaufzeit erreichen. Viele der alten Anlagen werden dann wohl abgebaut – außer es gelingt, sie durch neue zu ersetzen.
Wie viele Tiere und welche Vogelarten genau werden tatsächlich durch Windkraftanlagen beeinträchtigt und getötet? Die Datenlage ist schwierig, da eine systematische Erfassung Tiere fehlt. Bei der staatlichen Vogelschutzwarte Brandenburg führen Naturschützer eine Datenbank, die in ganz Deutschland Zufallsfunde von getöteten Greifvögeln und Fledermäusen an Windrädern festhält. Nach deren Erkenntnissen sind sehr wenige Vogelarten betroffen – vor allem Rotmilan, Mäusebussard und größere Adlerarten. Kaum jedoch kleinere Vögel wie Singvögel.
Schätzungsweise sterben jährlich Vögel
- mehr als 170 Millionen durch die Landwirtschaft
- 108 Mio. durch Gebäude (Fensterflächen)
- 70 Mio. durch Verkehr
- 60 Mio. durch Katzen
- 1 Mio. durch die Jagd
- 0,1 Mio. durch Windkraft
Das Recherche-Kollektiv Correctiv entlarvt immer wieder Behauptungen über Windanlagen durch die Millionen Vögel erschlagen würden, als Fälschung – so erst im August 2021: Mit mehr als 3.500 anonym finanzierten Plakaten in mindestens 50 Städten behauptete die deutschlandweite Anti-Grünen-Kampagne „grüner Mist“, Windanlagen seien für den Tod vieler Vögel verantwortlich und berufen sich auf eine Untersuchung der Uni Bielefeld. Aber die Autoren weisen die Behauptung zurück: Ihr Studie decke die Unterstellung nicht, die Behauptungen seien durch die Studie „nicht gedeckt und teilweise grotesk falsch“.
Doch wie kommt man weg von den Zufallsfunden hin zu belastbaren Zahlen und Informationen darüber, welche Vögel genau und wie viele betroffen sind? Mit neuen technischen Systemen soll sich die Gefahr von Vogelschlag minimieren lassen. Naturschützer schlagen auch vor, die Naturlandschaften aufzuteilen in Vogelschutz- und Windkraftzonen.
Ein Hamburger Projektentwickler will das Kamerasystem IdentiFlight mit einem System auf einem 10 Meter hohen Turm in den deutschen Markt einführen. Mit acht Weitwinkelkameras soll der Luftraum permanent überwacht werden. Mit einer frei beweglichen Stereo-Kamera sollen Vögel identifiziert werden: Rotmilan, Seeadler oder ein anderer Vogel? Das Entwickler-Team kalkuliert knapp 1.000 Abschaltungen im Jahr, für den Windrad-Betreiber im Durchschnitt ein Ertragsverlust von vier Prozent. Weniger Gewinn, dafür könnten im Gegenzug auch konfliktträchtige Standorte genutzt werden. Das wäre der große Vorteil.
Im Auftrag des Kompetenzzentrums Naturschutz und Energiewende hat ein unabhängiges Gutachterbüro den Einsatz des Kamerasystems an sechs unterschiedlichen Standorten überaus positiv begutachtet: Das System sei reif für die Praxis – als Erstes aus einer Reihe von Neuentwicklungen.
->Quellen:
- swr.de/windkraft-ohne-vogelsterben-geht-das
- dw.com/wie-nachhaltig-ist-windkraft-klimabilanz-recycling-artenschutz
Artikel aus: SOLARIFY, das unabhängige Informationsportal für Nachhaltigkeitsfragen, Erneuerbare Energien, Klimawandel und Energiewende, Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion
https://www.solarify.eu/2021/12/29/464-streitthema-windenergie-contra-voegel/
Zu den Plänen der Nutzung der Windkraft in der Umgebung von Pullach:
https://www.windenergie-landkreis-ebersberg.de/Projekte/Forstenrieder_Park