Wie die Solidarische Landwirtschaft Isartal eG mit dem Klimawandel umgeht
Wir beobachten auch in Bayern, dass in Zeiten der Erderwärmung die Wetterextreme zunehmen. Die Erträge der landwirtschaftlichen Betriebe in unserer Region sind von Starkregen und Hagel betroffen.
Peter Fichtner, Kreisbauer im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen, ist der Ansicht, dass die einzige Möglichkeit zur Prävention darin bestehe (siehe den Artikel „Anpassen an die Extreme“ im SZ-Landkreisteil vom 26./27.8.2023), Versicherungen abzuschließen, die durch den Klimawandel verursachten Schäden abdecken.
Solche Versicherungen werden jedoch immer teurer, gerade für kleinere Betriebe können sie unbezahlbar werden. Doch es bieten sich andere Methoden an, die die Schäden z.B. durch Starkregen verringern können.
Die Gemüse-Genossenschaft SOLAWI Isartal eG betreibt aktive Prävention. Wie im Biolandbau üblich, wird großer Wert auf die Förderung des Bodenlebens und die Erhöhung des Humusanteils in der Erde gelegt. Dies führt u.a. dazu, dass der Boden mehr Wasser für Trockenperioden aufnehmen kann als im konventionellen Anbau. So wird der Boden weniger stark ausgewaschen, speichert Wasser wie ein Schwamm und mindert damit das Risiko von Überschwemmungen.
Die SOLAWI entwickelt ein ganzes Maßnahmenpaket:
* Die Zeiträume, in denen der Boden ungeschützt offen liegt, werden durch Zwischenfrüchte, Untersaaten und Mulchauflagen deutlich verringert,
* Auf einzelnen Flächen sät sie rotierend Pflanzmischungen (z.B. Fascelia und Klee) aus, die mit ihren Wurzeln den Boden tiefer durchstoßen und ihn so durchlässiger machen,
* Das gewonnene Heu verwendet sie als Mulchmaterial,
* Neu gepflanzte Hecken und Bäume sollen mit den Jahren Schatten spenden und den Wind brechen,
* Das Gemüse wird auf 30 cm hohen Dämmen angebaut. Bei großen Niederschlagsmengen verschlammt das Wasser die Dämme nicht so stark (siehe Foto oben).
Aber auch unter einem anderen Aspekt ist die Solawi Isartal eG interessant. Die Idee der „Solidarischen Landwirtschaft“ beruht darauf, dass das Risiko von Missernten nicht von den Produzierenden allein getragen wird. Die Gemeinschaft von Produzierenden und Konsumierenden trägt das Risiko gemeinsam.
Die SOLAWI Isartal ist ein Projekt, dass nicht nur aktiv Klimaanpassung betreibt, sondern durch die regionale Produktion und Verteilung von saisonalem Biogemüse ohne weite Transportwege, ohne chemischen Dünger, ohne Lebensmittelabfälle und möglichst wenig Bodenbearbeitung einen wirklich nachhaltigen Beitrag zum dringend notwendigen Klima- und Artenschutz leisten will.
Wer mehr über die Agrarwende à la SOLAWI Isartal mit derzeit acht Verteilstationen zwischen München-Solln und Wolfratshausen wissen möchte bzw. sich für ein Kisten-Abo interessiert, findet alle Informationen auf der Webseite der Genossenschaft: htpps://solawi-isartal.de
Text: Hans-Werner Thürk und Ella von der Haide
Bild: Walter Kunert
und schließlich - zur Info - noch ein Beitrag eines sehr aktiven Mitglieds auf dem Acker:
SOLAWI - Anders genießen
Erfahrungsbericht von Renate G. und Werner K., Mitglieder der SOLAWI-Isartal
Der Genuss fängt am Mittwoch Abend an: Wir bringen unsere Gemüsekiste von der
Abholstation in Pullach nach Hause. Wir wissen meist spätestens seit Montag,was
wir bekommen. Trotzdem ist das Auspacken für uns immer wieder ein Erlebnis.
Voller Vorfreude begutachten wir das herrlich frische Gemüse und überlegen, worauf
wir als erstes Lust haben und was noch ein wenig gelagert werden kann. Meistens
nasche ich sofort ein paar Salatblätter, sie schmecken auch ohne Dressing einfach
großartig.
Seit drei Jahren sind wir Mitglieder der solidarischen Landwirtschaft und beziehen
wöchentlich eine Gemüsekiste. Die Idee der Solidarität mit den Erzeugern hat uns
überzeugt: Ja, wir wollen den Anbau von Biogemüse, und wir wollen die Risiken von
Ernte-Minderungen durch ungünstiges Wetter mittragen. Wenn wegen Trockenheit
weniger wächst, wenn ein Hagel die Beete verwüstet, wenn der Frost zu früh
einsetzt, dann soll das auch unser Problem sein, nicht nur das der Gärtner.
Womit wir nicht gerechnet haben: dass unsere Mitgliedschaft in einer
landwirtschaftlichen Genossenschaft unsere Kauf- und Ernährungsgewohnheiten
verändern werden.
Der größte Unterschied: Wir überlegen nicht mehr: was wollen wir kochen und
kaufen entsprechend ein. Stattdessen gehen wir davon aus: was haben wir denn?
Für uns ist das eine spannende Herausforderung, vor allem wenn bisher unbekannte
Gemüsesorten in der Kiste sind. Gelbe Bete zum Beispiel kannten wir vorher nicht
oder haben sie nie gekauft, und jetzt zählt zu unseren Lieblingsgemüsesorten. Auch
der längliche Radicchio, der Radicchio di Treviso oder der Cavolo Nero
(Schwarzkohl) sind nur dank der Kiste in unsere Kochtöpfe und Pfannen gelandet –
eine mittlerweile hochgeschätzte Bereicherung unseres Speiseplans. Die
entsprechenden Rezepte findet man ja leicht im Internet – oder in der Signal-Gruppe,
in der SOLAWI-Mitglieder Kochanregungen austauschen.
Diese Gruppe ist beinahe so etwas wie eine Selbsthilfegruppe. „Hilfe, was mache ich
nur mit dem Stangensellerie“ – so ein Eintrag hat ganz schnell viele - und gute! –
Tipps und Rezepte zur Folge. Das ist auch dann hilfreich, wenn mal von einer
Gemüsesorte viel auf einmal reif wird und mehrfach hintereinander in der Kiste
landet. Dann finden sich in der Chatgruppe bestimmt neue Kochanregungen. So hat
sich im Laufe der drei Jahre unsere Repertoire an Gemüsegerichten ausgeweitet.
„Ich würde aber nicht den ganzen Winter nur Kohl essen wollen“, sagte einer unserer
Bekannten, als wir von unseren Kisten-Erfahrungen berichteten. Wir waren ganz
verdutzt und verständnislos: es gibt doch so viele Kohlsorten und noch viel mehr
unterschiedliche Zubereitungsarten. Vor allem ist ja nicht nur der Kohl ein
lagerfähiges Gemüse. Die Vielfalt haben wir in diesen drei Jahren noch nie vermisst.
Noch etwas hat sich geändert: Wir vertrauen viel mehr als früher in den
Eigengeschmack des Gemüses. Mit gutem Grund: Tomaten aus der Kiste
beispielsweise schmecken unglaublich gut - „so gut wie früher die von meinem Opa“,
sagt Werner. Der gute Geschmack hat auch Folgen: im Prinzip kochen wir
„einfacher“, mit wenig Zutaten und sparsam mit Gewürzen. Was auch immer mit dem
Kohlrabi passiert, der spezifische Geschmack soll erhalten bleiben.
Das weist auf eine weitere Veränderung hin: Unsere Achtung vor den
Gemüsefrüchten und vor dem Prozess des Wachsens ist gestiegen. Es ist ein
Geschenk, dass „unser“ Gemüse gewachsen ist, aber auch das Ergebnis von Arbeit
und des sorgsamen Umgangs mit der Erde. Der Respekt vor dem Geernteten ist
auch deshalb gewachsen, weil ich ab und zu in der Lieferkette aktiv bin: ich helfe
beim Verteilen und Packen. Es ist eine Freude, mit dem frischen Gemüse zu
hantieren. Auf dem Acker selbst war ich bisher noch nicht tätig, obwohl ich sehr gern
bei unseren Festen auf dem Acker dabei bin. Ich befürchte, dass ich mich dämlich
anstelle oder dass meine alten Knochen binnen kürzester Zeit wegen der
ungewohnten körperlichen Arbeit rebellieren.
Wir betreiben selber keinen Gartenbau, aber doch ist unser Interesse und unser
Wissen gewachsen. Gerade deshalb ist es uns auch wichtig, von der Agrarwende
nicht nur zu reden, sondern in der Gemeinschaft der Solawiste auch an dieser
Wende teilzuhaben.
Jede Woche die Kiste abzuholen - oder zu verschenken, wenn wir nicht da sind - das
macht ein gutes Gefühl und garantiert leckeres Essen!
"Boden begreifen"
Der Boden ist die wichtigste Ressource beim Ackerbau. Diese Tatsache wird von der Agrarindustrie, die mehr und mehr die bäuerliche Landwirtschaft in unserem Land verdrängt, konsequent ignoriert - mit allen seinen schon länger sichtbaren Auswirkungen auf die Mitwelt: die Verarmung der Landschaft, das dramatische Artensterben und zunehmend biologisch tote Böden.
Das haben die Mitglieder der Solawi Isartal eG, dieim zweiten Jahr einen ökologischen Gemüse-Anbau betreiben, begriffen und deshalb am 29. Juli 2023 die erfahrene Bodenkundlerin und Gartenpädagogin Ruth Mahla auf ihren Acker zwischen Münsing und Degerndorf eingeladen. Frau Mahla vertiefte mit ihrem Vortrag über das Bodenleben das Wissen der gärtnerisch ausgebildeten und der auf dem Acker mithelfenden Mitglieder der Genossenschaft und führte mithilfe der Gerätschaften in ihrem "Bodenkoffer" einfache Untersuchungen zur Bodenart und Bodenstruktur des Solawi-Ackers durch. Siehe auch: https://urbane-gaerten-muenchen.de/tag/boden-kennen-lernen/.
Die Teilnehmer*innen lernten an diesem Nachmittag viel Neues über die natürlichen Abläufe im Boden beim ökologischen Landbau, insbesondere zum Humusaufbau und zur Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit.
Ausführlicher Bericht unter:
https://solawi-isartal.de/dem-boden-auf-den-grund-gehen-wie-die-solawi-ihren-boden-kennen-lernt
Solawi Isartal – die lokale genossenschaftliche Gemüseproduktion für das Isartal
In der solidarischen Landwirtschaft (SoLaWi) verantworten Verbraucher gemeinschaftlich die Produktion von ökologischen, regionalen und saisonalen Lebensmitteln. Die Mitglieder kaufen nicht einzelne Produkte, sondern teilen den Ertrag aus der Ernte. Dabei entsteht ein anderes Verhältnis zu den Lebensmitteln und eine solidarische Gemeinschaft zwischen Abnehmern und Gemüseproduzenten.
Aus dem Verein "Bürgerkraft Isartal" heraus gründete sich die Genossenschaft SoLaWi Isartal, die 2021 wöchentlich Kisten mit frischem Gemüse aus der Schlossgärtnerei Weidenkams für 31 Haushalte zwischen Pullach und Icking gepackt und verteilt hat.
Näheres hierüber im Podcast "Solawis im Interview: Solawi Isartal eG bei München"
https://youtu.be/FexrGaX8-Gs?t=1309
Im März 2022 hat der eigene Anbau von Gemüse und Kräutern begonnen auf einem gepachteten, ca 3 ha. großen Acker (südlich von Münsing in der Nähe vom Starnberger See) - weiterhin in enger Kooperation mit der benachbarten Schlossgärtnerei Weidenkams.
Mittlerweile beziehen 120 Haushalte zwischen Pullach und Wolfratshausen allwöchentlich Gemüsekisten von dort. In den kommenden Jahren will die SoLaWi-Genossenschaft bis zu 450 Haushalte beliefern - seit Mai dieses Jahres auch - und zunehmend - natürlich aus eigener Produktion. Sukzessive wurden auf knapp 1 ha die Beete bepflanzt mit Lauch, Zwiebeln, Karotten, Wirsingkohl, Pflücksalat, Rote und Gelbe Bete, Hokkaido-Kürbis und vieles mehr.
Zu dem ersten Frühlingsfest der SoLaWi Isartal am 15. Mai 2022 erschien rund die Hälfte der Mitglieder. Auch Freunde konnten mitgebracht werden. Es gab eine Führung auf dem Acker der SoLaWi und anschließend Kennenlernen bei Essen und Trinken in der Schlossgärtnerei Weidenkams.
Das erste Erntedankfest hat bei bestem Herbstwetter und gutem Besuch am Sonntag, dem 23.Oktober 2022, von 14 bis 17 Uhr auf dem SoLaWi-Acker stattgefunden (siehe unten).
und aus der Mediathek von München-TV noch ein Bericht vom Acker mit Iris, Peter und Estelle:
https://www.muenchen.tv/mediathek/video/erntefrisch-vom-feld-die-solidarische-landwirtschaft/
Die „SoLaWi Isartal“ entsteht und wird ab 2022 eigenes Gemüse produzieren
20.Mai 2021
Im Isartal entsteht eine solidarische Landwirtschaft (SoLaWi) als Genossenschaft mit dem Ziel, lokales Bio-Gemüse für bis zu 500 Haushalte im Isartal – von Wolfratshausen bis Pullach – zu produzieren.
Was ist eine SoLaWi?
In einer SoLaWi verantworten Verbraucher*innen und Erzeuger*innen gemeinschaftlich die Produktion von ökologischen, regionalen und saisonalen Lebensmitteln. Die Mitglieder kaufen also nicht einzelne Produkte, sondern sie investieren in die Produktion und teilen dafür gemeinschaftlich den Ertrag aus der Ernte. Dabei entsteht ein engeres Verhältnis zu den Lebensmitteln und eine solidarische Gemeinschaft zwischen Abnehmer*innen und Gemüseproduzierenden.
Wir nennen das Projekt: „Unser enkeltaugliches Konzept der Daseinsfürsorge“, denn unsere SoLaWi wird nach den strengen Kriterien des biologischen Landbaus arbeiten und damit einen Beitrag für den Erhalt der Artenvielfalt, eines fruchtbaren Bodens und der Gesundheit aller Beteiligten leisten.
Wo steht unser Projekt?
Der Startschuss ging 2020 vom gemeinnützigen Verein „Bürgerkraft Isartal eV“ aus. Die Untergruppe „Solidarische Landwirtschaft“ von der ebenfalls 2020 gegründeten Agenda Pullach 2030, die auf kommunaler Ebene drei der insgesamt 17 globalen Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (kurz: SDGs – siehe auch oben) vorantreiben will, hat sich dieser Initiative angeschlossen. Für die zweite Jahreshälfte ist die Gründung einer eigenen Genossenschaft geplant, für die noch weitere Mitglieder gesucht werden.
Ein erster Schritt zur praktischen Umsetzung der Idee war die Organisierung einer wöchentlichen Belieferung angemeldeter Haushalte mit Kisten mit frischem Bio-Gemüse (siehe Foto). Mit dabei sind seit April dieses Jahres etwa 30 Haushalte aus den Isar-Gemeinden Icking, Schäftlarn, Baierbrunn und Pullach. Das Gemüse stammt von der Demeter-Gärtnerei Weidenkams bei Ambach am Starnberger See.
Ab 2022 soll dann eine Gärtnerin unser eigenes Gemüse auf einem von der Genossenschaft gepachteten Acker (2,8 ha) anbauen – in Kooperation mit der Gärtnerei Weidenkams. Die zu teilende Ernte soll zunächst für ca. 100 Haushalte reichen, wobei der Zukauf von Bio-Gemüse (ca. 30 - 50 %) geplant ist, um die Vielfalt des Kisteninhalts zu garantieren. Mittelfristig planen wir jedoch, den Gemüseanbau auszuweiten, sodass bis zu 500 Haushalte mit Gemüse versorgt werden können. Dazu suchen wir langfristig zusätzliche Ackerflächen und eine Hofstelle möglichst im Isartal.
Um das alles zu realisieren, freuen wir uns über neue Mitglieder, Ernteteiler*in-nen, Verpächter*innen, aber auch über Geldgeber*innen und Kommunen, die unser Projekt unterstützen wollen.
Wer interessiert ist, kann gerne mitmachen!
Anmeldung und genauere Informationen über https://solawi-isartal.de
Email: solawi@buergerkraft-Isartal.de
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